Müssen wir die Erweiterung des Kalkabbaus gezwungenermaßen akzeptieren, um Arbeitsplätze zu sichern?
Der Verlust des Arbeitsplatzes ist für jeden Menschen ein schlimmes Schicksal, jeder einzelne Arbeitsplatz ist deshalb schutzwürdig und ein hohes Gut. Die Frage ist nur, ob durch eine weitere Ausweitung der Kalkabbauflächen tatsächlich insgesamt Arbeitsplätze erhalten werden.
Im Februar 1999 erhielt die damalige Firma Dyckerhoff Kalkabbaurechte über 30 ha Buchenwald. Diese Genehmigung versorgt das Zementwerk noch bis ca. 2027 mit Abbauflächen. Der „Erhalt der Arbeitsplätze“ war damals für die Erteilung der Abbaugenehmigung das stärkste Argument. Der Sicherung der Arbeitsplätze wurde damals Vorrang eingeräumt vor den Belangen des Naturschutzes.
Wenn man sich die Entwicklung der Arbeitsplätze im Zeitablauf ansieht, war in der Firmengeschichte Buzzi/Dyckerhoff AG die Erteilung langfristiger Abbaurechte leider kein Garant für den Erhalt der Arbeitsplätze. Im Jahre 1995 zählte die Belegschaft der Firma Dyckerhoff Zement GmbH in Lengerich noch 495 Personen (Quelle: Kalkgutachten vom Mai 1997, Kurzfassung, Seite 253).
Die Abbaugenehmigung wurde 1999 erteilt.
Nur zwei Jahre nach Inbetriebnahme des neuen Drehofens No 8 wurden bereits zahlreiche Arbeitsplätze abgebaut. Die Belegschaft hat heute noch ca. 200 Mitarbeiter. (Quelle: Bauantrag/Antrag auf Vorbescheid/ vom 17.10.2010, Anlage 1/7 zu VVBau /Prüf VO)
Es stellt sich somit die Frage, ob langfristige Abbaugenehmigungen, die kapitalintensive Investitionen fördern, auch tatsächlich Arbeitsplätze erhalten. Im Jahre 2027, wenn die heute bereits genehmigten Abbauflächen ausgeschöpft sein werden, sind viele der heutigen Mitarbeiter bereits im wohlverdienten Ruhestand.
Nachhaltige Beschäftigungssicherung und gesamtwirtschaftliche Überlegungen
Bei der Betrachtung der Arbeitsplatzthematik blieben bisher gesamtwirtschaftliche Überlegungen völlig unberücksichtigt.
Dabei ist die Diskussion nicht offen für neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze, die im Bereich des Rohstoffrecyclings und in anderen umweltverträglich wirtschaftenden Bereichen entstehen.
Eine Reduzierung der Primärrohstoffwirtschaft zugunsten der Naherholung, des Tourismus, der Recyclingwirtschaft und der nachhaltigen Forstwirtschaft wurde bisher gar nicht in Erwägung gezogen. Es stellt sich die Frage, wie viele Arbeitsplätze im Tourismus oder in der Landwirtschaft dauerhaft verhindert werden, wenn der Teutoburger Wald weiter systematisch abgeholzt wird.
Im Falle einer weiteren Ausweitung von Abbauflächen werden unsere Kinder in wenigen Jahren wieder vor dem gleichen Konflikt „Naturschutz oder Kalksteinabbau“ stehen, allerdings unter erschwerten Bedingungen, wenn der Klimawandel und das Artensterben weiter fortschreiten. Dieser Konflikt ist ein wiederkehrender Konflikt, solange nicht alternative, nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten für die Menschen geschaffen werden. Dieses ist ein politische Aufgabe aller verantwortlichen Parteien.
Schon 1997 wurde im Arbeitskreis, der den „Kompromißvorschlag“ zum Kalkgutachten (1997) ausgearbeitet hat, auf die Klärung der auch in 25 Jahren andauernden Problematik im Teutoburger Wald in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht deutlich hingewiesen
(Quelle: 1997; Fortschreibung des GEP für den Regierungsbezirk Münster – Teilabschnitt Münsterland- Stellungnahme des BUND e.V.).
Die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes lautete 1997: “ die Einrichtung eines Arbeitskreises, der sich mit den Möglichkeiten zur perspektivischen Lösung der Konflikte zwischen Naturschutz und Kalksteinabgrabungen befasst“.
(Quelle: 1997; Fortscheibung des GEP für den Regierungsbezirk Münster – Teilabschnitt Münsterland – Stellungnahme des DGB).
Leider ist bis heute nichts passiert, ein Arbeitskreis wurde nicht gegründet. Statt dessen wurde das Problem auf nachfolgende Generationen verlagert. Werden wir es genauso machen?
Die dauerhafte Zerstörung des Landschaftsbildes und der Landschaftsstruktur ist eine schwere Bürde für unsere Kinder und Enkel. Was werden sie mit ein paar hundert Hektar verödeter Landschaft anfangen ? Wer bezahlt denn eigentlich den finanziellen Schaden, der durch die Zerstörung unseres Lebensraumes entsteht ?